Heimkehr der Vorfahren Interview Transkription

Dramaturgin Katrin Enders im Gespräch mit Regisseur Georg Schütky

Foto: Nilz Böhme


Katrin Enders: Bevor wir über deine aktuelle Regiearbeit in Magdeburg sprechen, würde ich mich gerne mit dir darüber austauschen, was dich künstlerisch prägt oder geprägt hat. Du hast Musiktheater-Regie studiert und bist dann aber ganz eigene Wege gegangen. Du hast zum Beispiel eine sogenannte Dorf-Oper realisiert, mit dem Titel Regina – uns verbindet mehr, als uns trennt. Das scheint mit sehr symptomatisch für etwas, was sich durch deine Arbeiten zieht. Magst du ein bisschen darüber erzählen?

Georg Schütky: Es gab bei mir immer einen gewissen Drang, mich sehr liebevoll und sehr treu in dem Genre des Theaters aufgehen zu sehen. Und andererseits hatte ich schon in meinen Studienzeiten das Bedürfnis, andere Menschen mit diesem Virus zu infizieren, deren Beruf das nicht ist und die über das Theatrale hinaus etwas mit in die Produktion mitbringen. Mich interessiert sehr, was Theater bzw. Musiktheater bewirken kann, gerade auch in Kontexten, wo vielleicht nicht nur der Inhalt des Stückes, sondern auch die gemeinsame Tätigkeit und das gemeinsame Kreieren eine sinnstiftende und gesellschaftlich sinnvolle Tätigkeit werden kann. Ganz wichtig dabei ist, dass ich Regisseur bin und Theater mache, und mich mit diesem Handwerk sehr ehrlich und hoffentlich bodenständig in diese Dialoge und Konfrontationen werfe. Ich habe nicht den Anspruch, dass ich Sozialarbeit oder Communitybuilding mache, sondern ich tue es als Künstler. Das ist aber auch das Wunderbare, dass da kann ganz viel entstehen kann, wenn man sich ehrlich begegnet.

KE: Bei der von mir erwähnten Dorf-Oper Regina bist du in diesen Ort gegangen, weil es um eine Sage dort ging. Du hast aber auch die Beggar’s Opera, also die Bettleroper, inszeniert, in der Oper Graz. Das war ein inklusives Projekt, mit dem du ganz bewusst über die Schwelle „Oper“ gegangen bist.

GS: Das war insofern so toll, weil gerade die Oper als Form und als Symbol für sehr vieles stehen kann. Bei der Beggar’s Opera war der Claim, wir ziehen in die Foyers ein und übernehmen die, Peachum hat die Oper gekauft. Das war für eine inklusive Arbeit der erste Schritt, diese Räume für andere Menschen zu öffnen und natürlich auch für andere Zuschauerschichten. Das war sehr spannend, weil wir nicht gesagt haben: Wir gehen direkt auf die große Bühne, sondern wir betreten diese Räume langsam, wir widmen uns erstmal der Architektur selber. Das hat viele Leute, auch aus dem Haus, total fasziniert, wie das Foyer und das Betreten dieser Räume mit anderen Charakteren, mit anderen Spieler:innen, mit einem anderen Herangehen an diese alten Stoffe für das Große und Ganze eine Öffnung und Bereicherung sein kann.

KE: Welchem Glück haben wir es zu verdanken, dass du jetzt hier in Magdeburg inszenierst?

GS: Das ist der künstlerischen Vermittlung des Theaters zu verdanken, ganz konkret Dorothea Lübbe. Ich fand es sehr schön, dass sich das Theater mit der Bürger:innen-Bühne diesem inklusiven Thema widmen wollte. Es gibt ja in dem Haus diesbezüglich durchaus Berührungspunkte über Die Pipers, eine bereits bestehende inklusive Theatergruppe der Pfeifferschen Stiftungen, die hier schon aufgetreten ist. Aber in dieser Intensität der Zusammenarbeit ist das die erste Arbeit dieser Art.

KE: Du hast dir eine recht ungewöhnliche Vorlage ausgesucht, nämlich einen Science-Fiction-Roman aus der DDR, Die Heimkehr der Vorfahren von Eberhardt del’ Antonio. Wie bist du darauf gestoßen und was hat dich bewogen, diesen Stoff zu wählen?

GS: Ich hatte diese tolle Freiheit, etwas vorzuschlagen. Und ich hab mir gedacht: „Womit habe mich noch nie beschäftigt?“ Das war DDR-Science-Fiction. Man kennt russische Science-Fiction oder so eher. Aber an einem Stoff, der ganz spezifisch aus der DDR kommt, interessiert mich natürlich auch das Gewebe, die Verortung, für die Arbeit hier. Nach dem ersten großen Durchblättern bin ich an Heimkehr der Vorfahren hängen geblieben, weil die Geschichte eine Parabel über das Nachhausekommen bietet. Kurz gefasst sind in der Geschichte Astronaut:innen in ein Raumschiff gestiegen und als sie zurück kommen, hat sich die Erde viel öfter um sich selbst gedreht, als sie dachten. Sie kommen in eine Welt, die ihnen völlig fremd ist und in der sie ihre Stärken, auch den großen Glauben daran, dass sie als Held:innen von einer großen Expedition zurückkehren, in dem Sinne gar nicht erleben, sondern sie merken eigentlich nur: Sie müssen wahnsinnig viel lernen und ein Integrationsprogramm durchlaufen. Und diesen Claim umzusetzen, bedeutet auch, sich dafür zu interessieren, was die Divergenz oder auch die Möglichkeit der Annäherung zwischen den Gruppen an Spieler:innen und dem Publikum ist, ohne das in Lager zu zementieren, sondern zu sagen: Es gibt Lücken und es gibt Notwendigkeiten sich zu begegnen. Wie können wir innerhalb dieser Parabel Dinge ausloten, Lücken ausloten, wo ein Zusammenkommen dringend notwendig wäre oder eben feststellen, dass es gewisse Gaps in unserer Gesellschaft gibt. Das war der Reiz an der Sache. Ich finde, dass sich das total lohnt, weil man immer mehr Zonen findet, wo man zusammenkommen kann.  

KE: Heißt das, die Struktur dieses Abends ist auch geprägt von dem inklusiven Spielensemble? Die Struktur entsteht durch die Beteiligten, oder?

GS: Absolut. Wir hatten einen sich immer wieder neu anpassenden Arbeitsmodus, um überhaupt erstmal zu sehen, wie wirkt diese Geschichte in dieser Gruppe und in der Konstellation, die wir geschaffen haben. Dann haben wir eigentlich täglich dazu reflektiert, da könnte man weitergehen und da nicht. Aus der Erfahrung dieses ersten Probenblocks und dem zu Grunde liegenden Roman ist eine Textfassung entstanden, die jetzt in der zweiten Probenphase wieder seine Anpassung findet an die Spieler:innen und natürlich auch an den Raum. Ich gewinne zunehmend Lust daran, die Öffnung und Schließung dieses Textgewebes und dieser Geschichte als Auftrag zu verstehen, nicht an dem Roman und seiner Parabel kleben zu bleiben, sondern es als Echoprogramm auszuloten. Was kann der Text in all seiner Poesie, Verträumtheit, Verrücktheit oder auch Konkretheit für uns heute bedeuten?

KE: Welche Rolle spielt diesmal die Musik?

GS: Die Musik ist ein toller Motor. Wir sind in einem sehr eklektischen musikalischen Repertoire unterwegs. Wir haben gemerkt, dass Musik, unsere Spieler:innen, aber auch die Gewerke wie Licht oder Ton extrem beflügelt. Es geht dabei auch darum, den Spieler:innen ein größtmögliches Paket an Sicherheit und Professionalität mit auf den Weg zu geben, damit sie auf der Bühne ihr Bestes zeigen können. Das gelingt ihnen auch ganz toll. Die Musik ist dabei wahrscheinlich das Wichtigste, denn es gelingt dadurch sehr schnell, Dinge zu heben.

KE: … auch als Emotionsverstärker.

GS: Ja. Und auch, um Verbindungen zu schaffen. Weil man durch die Musik oft schneller und intuitiver weiß, wo man ist, als über Worte und Sprache.

KE: Das klingt alles nach einem guten und wichtigen Thema, aber auch nach einem leichten, barrierefreien Zugang. Ist das auch für das Publikum so?

GS: Auf jeden Fall. Ich glaube, dass an diesem Abend jede:r direkt etwas finden wird, was ihn oder sie involviert und in diese Reise hineinzieht. Es gibt viel zu entdecken, zu sehen und zu lachen.

KE: An der Stelle schon mal ein herzliches TOI TOI TOI für die Premiere. Ich kann es allen nur wärmstens ans Herz legen hinzugehen und sich überraschen zu lassen. Danke für das Gespräch, lieber Georg.

GS: Herzlichen Dank für die Einladung, hier zu arbeiten.