„Zwischen-Welten“

Bastian Lomsché im Gespräch mit Hendrik Bolz über Rap und Theater, Sub- und Hochkultur und nervige Echokammern.

Bastian Lomsché (BL): Was ging dir durch den Kopf, als Charly Hübner dich angefragt hat, für Krieg und Frieden Rapsongs zu schreiben?

Hendrik Bolz (HB): Ich hab mich sehr gefreut und hatte direkt Bock, weil es so eine schöne Chance war, mein altes Handwerk mal in einem neuen spannenden Kontext zu erproben!

BL: Wie bist du an die Sache herangegangen und wie unterschied sich das gegebenenfalls von der Art, wie du sonst arbeitest? 

HB: Dadurch, dass die Fassung im Heute spielt, Themen verhandelt werden, die mich sowieso beschäftigen und Charly sich genau die Energie aus meinen früheren Songs gewünscht hat, konnte ich ganz ähnlich arbeiten wie sonst auch. Ich wollte schon lange mal mit Johannes Aue Songs machen, habe mit ihm alles besprochen und er hat sofort die perfekten Instrumentals produziert, auf die ich dann die Texte geschrieben habe. Neu war für mich aber natürlich, dass es hier ein 1.600 Seiten starkes Werk gab, in das ich mich vertiefen konnte, um auch grundlegende Aspekte des Projektes zu verstehen.

BL: Bei aller Öffnung des Theaters hin zur Subkultur und der Etablierung von Rapmusik außerhalb der Subkultur: musstest du künstlerische, politische oder persönliche Widerstände überwinden? 

HB: Nein, ganz im Gegenteil, ich finde es gerade spannend, wenn Subkultur und Hochkultur miteinander in Verbindung treten, mein Buch Nullerjahre zum Beispiel bewegt sich ja auch in so einer Zwischenwelt. Ich denke, dass sich in diesem Zusammenspiel auch noch viel ungenutztes Potential verbirgt.

BL: Du hast mit Schauspielenden an der Performance deiner Songs gearbeitet. Eine gute Erfahrung?

HB: Ja, es war sehr beeindruckend, wie motiviert alle waren und schön zu sehen, wie die verschiedenen Arten von kulturellem Kapital sich gegenseitig befruchten können.

BL: Deine Texte entziehen sich oft einer eindeutigen Lesbarkeit und spielen, man könnte auch sagen: provozieren damit, zunächst falsch verstanden zu werden, Beispiel: "Schießen ist jetzt woke, Frieden ist jetzt rechts". Worin liegt darin der Reiz für dich, vielleicht gerade in Bezug auf das Theater? 

HB: Ich finde es spannender, mich Problemen fragend zu nähern und verschiedene Positionen zu beleuchten, statt den ideologischen Alleswisser zu geben. Wenn ich mich in den Medien umschaue, habe ich manchmal das Gefühl, die Polarisierung würde immer stärker werden. Dabei haben die meisten Menschen eine stabile Mitte-Meinung und sind in der Lage, auch verschiedene Argumente auszuhalten und abzuwägen. Ich finde es gut, dass auch durch das Theater ein Gegengewicht zu den ganzen nervigen Echokammer-Dynamiken geschaffen wird, schon allein dadurch, dass hier ja wirklich echte Menschen ganz haptisch im gleichen Raum zusammenkommen und sich nach einem Stück über das Gesehene austauschen können.

Hendrik Bolz, geboren 1988 in Leipzig, auch bekannt unter dem Künstlernamen Testo, ist Rapper und Autor. Mit grim104 bildet er das Hip-Hop-Duo Zugezogen Maskulin. Seine Autobiografie Nullerjahre stand auf der Spiegel-Bestsellerliste und wurde mehrfach für das Theater adaptiert. Er ist Host des MDR Podcasts Springerstiefel, für den er 2025 u. a. den Deutschen Hörbuchpreis gewann.